
27 Mrz Oslo, mein Mädchen
Auf der Suche nach dem Orangenmädchen
Stell dir vor, du sitzt in der Straßenbahn. Auf dem Weg zur Uni oder zu Freunden. Du träumst vor dich hin und beobachtest die dicke Fliege, die unermüdlich gegen die Fensterscheibe prallt. Um dich herum sind die meisten Passanten in ihre Smartphones vertieft oder lesen die Tageszeitung auf ihrem Tablet. Der Mann in dunklem Anzug und pinker Krawatte genau wie die zwei Teenies mit den großen Kopfhörern und die ältere Dame mit den vollen Einkaufstüten. Die Straßenbahn ächzt und knattert vor sich hin. Dein Blick wandert zurück zum Fenster und du siehst, wie sich ein Stadthaus an das nächste reiht, eine Straße der anderen gleicht. Heute erscheinen sie nicht besonders schillernd, denn der Wind ist zurück und hat den Regen mitgebracht.
Zwei Stationen weiter stehst du auf, an der nächsten Haltestelle musst du raus. Und dann, auf einmal, entdeckst du sie. Eine junge Person in einem abgewetzten orangen Wanderanorak mit einer Papiertüte voller Apfelsinen, die ihr Gesicht beinahe verdeckt.
So oder so ähnlich ergeht es Jan Olav, als er zum ersten Mal das Orangenmädchen in der Osloer Straßenbahn sieht. Doch die erste Begegnung geht nicht gut aus. Eine vermeintliche Heldentat führt zum Verlust der Orangen, sie nennt ihn einen Weihnachtsmann und beantwortet keine seiner 1.000 Fragen, die ihm im Kopf herumschwirren.
Statt eines dumpfen Dröhnens aus den Kopfhörern umgibt Jan Olav fiktives Zeitungsrascheln und die schwarzgefärbten Finger schlieren auf keinem Display herum. Dieser Teil der Geschichte spielt Ende der 70er Jahre. In einem Rückblick erzählt er sie seinem Sohn in einem Brief.
Seit dem Zusammenstoß in der Straßenbahn sucht Jan Olav ganz Oslo nach dem Orangenmädchen ab und geht dabei höchst kleinkariert und logisch vor.
Das erscheint umso amüsanter, weil er doch ganz vernarrt in sie ist. Hin und wieder erhascht er einen Blick auf ihren Anorak, nimmt ihre Hand oder folgt ihren Fußspuren im Schnee. Doch kaum eine Begegnung dauert länger als einen Augenblick und so kommt es, dass Jan Olav sich die wildesten Geschichten über ihr Leben ausdenkt. Dass sie die zwei Pfund Orangen auf dem Markt kauft, um bei ihrer bevorstehenden Exkursion durch Grönland nicht dem Vitaminmangel zu verfallen.
Als ich letztes Jahr beruflich ein paar Tage in Oslo verbrachte, musste ich ständig an Das Orangenmädchen denken. Ich hatte keinen orangen Anorak an und auch nicht immer eine Kamera griffbereit, aber wenn mir etwas in der Stadt bekannt vorkam oder mich ein Motiv an die Geschichte erinnerte, hatte ich den Drang, es festzuhalten.
Ursprünglich hatte ich Schwarz-Weiß-Filme mitgenommen, um über die winterliche Tristesse hinwegzuknipsen. Aber dann fiel mir ein, dass Farbfilme in den 70ern noch nicht allzu verbreitet waren und legte mich auf die Lauer.
Ich hatte nichts geplant, wie ihr seht, es ist also keine visuelle Umsetzung einzelner Buchseiten, es gibt ja noch nicht mal ein Konzept 😉 (auch wenn ich mich dafür treten könnte, das mir das nicht früher eingefallen ist…).
Das norwegische Original habe ich mir im nächsten bokhandel, einem Buchladen, in Oslo gekauft. Wieder zuhause angekommen, las ich mir die Geschichte noch einmal durch und markierte ein paar Stellen, die wie ein liten Reiseführer durch die Straßen von Oslo lotsen…
Kos deg!
„Also habe ich die Wette verloren“, füge ich hinzu.
Sie denkt nach und sagt dann: „Ab und zu müssen wir es im Leben einfach schaffen, uns ein wenig zu sehnen. Ich habe dir geschrieben. Ich habe versucht, dir die Kraft zu geben, die du brauchtest um dich noch ein wenig zu sehen.““ font_container=“tag:p|font_size:35|text_align:center|line_height:1.2″ google_fonts=“font_family:Dawning%20of%20a%20New%20Day%3Aregular|font_style:400%20regular%3A400%3Anormal“ css_animation=“none“]
Sie sagte: „Der Humlevei, du Dussel.“
Der Humlevei. Da war ich aufgewachsen. Da war ich geboren. Ich hatte mein Leben lang im Humlevei gewohnt. In Adamstuen hauste ich erst seit einem halben Jahr.
„Oder der Irisvei“, sagte sie.
Das war dieselbe Gegend. Der Irisvei ging vom Humlevei ab.
„Kløvervei vielleicht!““ font_container=“tag:p|font_size:35|text_align:center|line_height:1.2″ google_fonts=“font_family:Dawning%20of%20a%20New%20Day%3Aregular|font_style:400%20regular%3A400%3Anormal“ css_animation=“none“]
Aber ich erinnere mich auch an einen warmen Augustabend, an dem wir auf Bygdøy saßen und auf den Fjord hinausschauten.““ font_container=“tag:p|font_size:35|text_align:center|line_height:1.2″ google_fonts=“font_family:Dawning%20of%20a%20New%20Day%3Aregular|font_style:400%20regular%3A400%3Anormal“ css_animation=“none“]
Alle Zitate stammen aus dem Buch „Das Orangenmädchen“ vom großartigen Jostein Gaarder. Erschienen im dtv (2005).
Alle Bilder wurden analog mit einer Retro-Kamera auf Film aufgenommen. Kein Photoshop (außer das Titelbild), keine Filter oder sonstiges.
Einfach pure, kreative Film-Fotografie in schwarz-weiß.
Kamera: Canon AE-1 Program
Filme: Lomography Lady Grey 400, Kodak TMX 100, Ilford FP4 Plus 50 (abgelaufen, +1 Push)
Entwicklung & Scan: MeinFilmLab (Lady Grey + TMX), Ilford selbst gescannt
Pingback:Eine Stunde Kopenhagen - Lomoherz
Posted at 20:42h, 06 Juli[…] man mit dem Auto anreist. Letztes Jahr bin ich zum Beispiel mit Fähre und Zug von Rostock bis nach Oslo gefahren, quer durch das schwedische […]
Pingback:Oslo im Regen
Posted at 17:49h, 03 Oktober[…] aus meinem Lieblingsbuch, dem Orangenmädchen – oder Appelsinpiken – vom norwegischen Autor Jostein Gaarder, spielen hier in […]